Kleine Kulturgeschichte des Lexikons

Im Folgenden soll ein kurzer Blick auf die Geschichte des Lexikons im Allgemeinen, die bis in die Zeit der vorindustriellen Gesellschaft zurückreicht, sowie der beiden traditionsreichsten Lexika deutscher Sprache, des Brockhaus- und des Meyer-Lexikons, im Besonderen geworfen werden.

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Aura des Lexikons
  2. Die Monumental-Lexika des 18. Jahrhunderts
  3. Brockhaus und Meyer
  4. Die Fusion
  5. Herder und Pierer
  6. Quellenangaben

Die Monumental-Lexika des 18. Jahrhunderts

Die Wurzeln des modernen Lexikons, das sich an eine größere Lesergemeinde wendet, führen in das frühe 18. Jahrhundert zurück. Als eines der ersten lexikalischen Werke gilt das zunächst im Jahre 1704 als einbändige Ausgabe herausgegebene „Reale Staats-, Zeitungs- und Conversationslexicon“ des Schriftstellers und Lehrers Johannes Hübner.

Reale Staats-, Zeitungs- und Conversationslexicon, herausgegeben von Johannes Hübner
Reale Staats-, Zeitungs-
und Conversationslexicon

Bis 1825 brachte es der beliebte und immer wieder gelesene „Hübner“, der schließlich in drei Bänden erschien, auf 31 Auflagen.

Ab 1712 gab Hübner außerdem ein stärker wirtschaftlich akzentuiertes "Curieuses und Reales Natur- Kunst- Berg- Gewerck- und Handlungs-Lexicon" heraus, das es im Verlaufe des 18. Jahrhunderts auf 12 Auflagen bringen sollte und heute als einzigartiges Dokument der Wirtschafts- und Handwerksgeschichte dieser noch vorindustriellen Ära gelten kann.

Zedlers Universal-Lexicon, erschienen im Jahr 1754
Zedlers Universal-Lexicon

In das 18. Jahrhundert fällt aber auch bereits die Geburtsstunde des vielbändigen, in monumentale Ausmaße hineinwachsenden Großlexikons. Zu nennen ist hier zunächst das von dem Leipziger Buchhändler und Verleger Johann Heinrich Zedler ab 1732 herausgegebene „Große vollständige Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste“, von dem bis zum Jahre 1754 insgesamt 68 Bände mit 67.000 Seiten erschienen.

Die besondere Bedeutung des Werkes, das unter anderem eine Vielzahl biographischer Artikel enthielt, bis in die Gegenwart hinein mag daran gemessen werden, dass die Akademische Druck- und Verlagsanstalt in Graz in den Jahren 1961 bis 1964 einen unveränderten Nachdruck aller Bände herausbrachte.

An Umfang noch übertroffen wird das Zedler’sche Werk durch die „Oeconomische Encyklopädie“ zur „Staats-, Stadt- Haus- und Landwirtschaft“ des Arztes und Schriftstellers Johann Georg Krünitz, die von 1773 bis 1858 in sage und schreibe 242 Bänden erschien und damit als das umfangreichste deutsche Reallexikon überhaupt gelten kann.

Krünitz Oeconomische Encyklopädie zur Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft
Krünitz' Oeconomische Encyklopädie

Trotz des Verzichts auf Artikel über Geschichte und Geographie und der weitgehenden Fokussierung auf Ökonomie und Technik wird dem „Krünitz“ heute der Status einer umfassenden Allgemein-Enzyklopädie zuerkannt. Er dokumentiert in einzigartiger Weise den Wissensstand des 18. Jahrhunderts und ist bis heute eine inspirierende Quelle für das Technikverständnis und die Begriffswelt der vor- und frühindustriellen Gesellschaft.

Aufgrund des langjährigen Erscheinungszeitraums des Werkes und der wiederholten wirtschaftlichen Probleme seiner Herausgeber sind vollständige Exemplare der Originalausgabe heute kaum noch erhältlich. Auch die unvollständig gebliebene so genannte „Brünner Nachdruckausgabe“ in 129 Bänden ist nur noch sehr vereinzelt anzutreffen.

Ein halbes Jahrhundert nach dem Krünitz, ab 1818, begannen der Hallenser Geopraph und Oberbibliothekar Johann Samuel Ersch und der Naumburger Gelehrte Johann Gottfried Gruber mit der Herausgabe eines kaum weniger ambitionierten Werkes. Die Ersch-Gruber-Enzyklopädie, von 1831 an im Besitz von Friedrich Arnold Brockhaus, wuchs bis 1889 auf 167 Bände an. Dann wurde sie, aus Kostengründen, eingestellt. Das Werk wird heute überwiegend in Einzelbänden gehandelt.

Dass monumentale Unternehmen wie Krünitz und Ersch-Gruber sich nicht durchsetzten, hat Gründe:

Beide Werke folgten noch nicht dem lexikalischen Prinzip prägnanter Erklärungen, sondern wollten universelle Lehrbuchsammlungen sein, die das Wissen ihrer Zeit vollständig in sich versammelten. Ein Vorhaben, das angesichts der rasch wachsenden Vielfalt und Komplexität der wissenschaftlich-technischen Entwicklung und der Vielgestaltigkeit künstlerischer und literarischer Schaffensformen scheitern musste.

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