Im Folgenden soll ein kurzer Blick auf die Geschichte des Lexikons im Allgemeinen, die bis in die Zeit der vorindustriellen Gesellschaft zurückreicht, sowie der beiden traditionsreichsten Lexika deutscher Sprache, des Brockhaus- und des Meyer-Lexikons, im Besonderen geworfen werden.
„Ich habe eine Schwäche für das alte Lexikon. Wenn ich etwas Mythologisches wissen will, wenn ich mir einen der älteren Dichter oder Philosophen vors Auge zaubern will, nehme ich einen uralten Meyer vom Regal, eine Auflage vom Jahre 1869, und lese dort nach ...
Die alten Lexika haben etwas wundervoll Konkretes in ihren Auskünften. Sie geben Farbe und Blut. Sie leben noch von der schönen Illusion, dass man auf ein paar Seiten einen Dichter erschöpfend darstellen könne“
Walter Schiele
Meditationen über Lexikon, in: Neue Literarische Welt, Nr. 14, 25. Juli 1953
„Das Ideal des verarmten Bürgertums, in dem ich aufwuchs, war der ‚gebildete Mensch’. Dieses Ideal verkörperte sich im Besitz eines sehr großen ‚Konversationslexikons’, also des Brockhaus oder des Meyer.
Die Ratenzahlungen, die die Anschaffung dieses schönen, vielbändigen, angenehm riechenden Dings in Halbleder erforderte, benötigten einige Jahre. Man wurde ermahnt, sich die Hände zu waschen, bevor man es konsultierte ...“
Erwin Chargaff
Lob des Laien, in: Universitas, 5, 1992, S. 409 - 416.
Beide autobiographischen Zitate verraten Respekt, ja Ehrfurcht gegenüber dem enzyklopädischen Großlexikon bürgerlicher Bildungstradition, lassen aber auch eine Spur Ironie erkennen, ohne die man vor dem geballten Wissen im Bücherregal wohl auch kaum bestehen könnte.
Lexika sind Spiegel ihrer Zeit. Sie geben das gesicherte Bildungsgut, aber auch die neuesten Erkenntnisse des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts einer Epoche wieder. Mit „Kathedralen des Wissens“ hat sie der Lexikograph und Goetheforscher Gert A. Zischka in seinem Standardwerk Index Lexicorum1 verglichen.
Der Besitz eines Lexikons verrät gleichermaßen Tradition und Bildung, zeitgeschichtliches Interesse und gesellschaftliches Bewusstsein.
Darüber hinaus war das Lexikon stets - und ist es bis heute geblieben - eine ästhetische Bereicherung unserer Wohnkultur. Die Enzyklopädisten haben ihre Werke zu Recht stets mit Stolz präsentiert. Der Reichtum des Wissens sollte in der kunstvollen, ornamentalen Gestaltung der Bände eine würdige Form der Präsentation finden.